Zwei Künstler, eine Menge verschweißter Stahl und eine konzeptuelle Gemeinsamkeit: “Die Betonung der Linie und das Streben, Leichigkeit bei der Schwere des Materials zu erzeugen.” Die aktuelle Ausstellung im Marburger Kunstverein zeigt Skulpturen des Künstlerpaares Sonja Edle von Hoessle und Herbert Mehler aus Eisingen bei Würzburg, wo die beiden 2015 das “Erbachshof art project” gründeten. Sie leben und arbeiten gemeinsam dort sowie in Kranidi/Griechenland. (www.erbachshof-art-project.com)

Die prägnanten Skulpturen von Sonja Edle von Hoeßle sind aus Cortenstahl, einem wetterfesten Baustahl, ohne Anfangs- und Endpunkt als Endlosschleife verschweißt. Die Objekte verändern ihr Erscheinungsbild mit der Bewegung und dem Blickwinkel des Betrachters. Zugleich wandeln sich die Durchblicke und die ausschnitthafte Rahmung des umgebenden Raumes, es entstehen gleichsam Zeichnungen im Raum. Das entscheidende Spannungsmoment verdanken die Endlosschleifen dem Wechselspiel von Spannung und Entspannung, verkörpert durch gerade und gebogene Abschnitte des geformten Materials. Momente der Ruhe, des Auflagerns auf den geraden Elementen wechseln mit solchen der Beweglichkeit, des Schwingens und Ausbalancierens auf den gebogenen Teilen.
Sonja Edle von Hoeßle begreift ihre Stahlarbeiten als endlose Bewegungsspuren, als “lineare Plastiken”, die Volumen und tiefenräumliche Entfaltung fordern. “Die spezifische Formensprache der Endlosschleifen entstand Mitte der 90er Jahre auf der Basis von Zeichnungen, die ich dann in die 3. Dimension überführen wollte, als konkrete Zeichnungen im Raum.”

Die 1960 in Wiesbaden geborene Künstlerein studierte bis zum Diplom 1992 Visuelle Kommunikation an der FH Mainz und der FH Würzburg, Fachbereich Gestaltung. 1993 machte sie sich mit der Metallmanufaktur “two hands” selbst-ständig und hatte 2008-11 ihr Atelier in Berlin. 1996 erhielt sie den Debütantenpreis des Bayerischen Staatsministeriums, 1998/99 die Atelierförderung des Bayerischen Kulturfonds, 2003 den Kulturförderpreis der Stadt Würzburg und 2016 den PEMA-Kunstpreis des Kunstvereins Bayreuth in der Sparte Skulptur.
(www.edle-von-hoessle.com)

Die Skulpturen von Herbert Mehler haben Faltungen, die wie Plisséefalten in Stoffen anmuten oder Falzungen, die an Lampions denken lassen. Sie formieren sich zu symmetrischen Plastiken aus Stahl, deren Formen Früchten, Samen-kapseln und Blütenstängeln gleichen, dann wieder an Körperformen der menschlichen Figur erinnnern oder architektonische und technische Fragmente zitieren.
In seinem Werk erfasst der Bildhauer das Wesen der Dinge und überträgt es in seine Objekte. Steht man den bis zu 300 Kiolgramm schweren Skulpturen Mehlers gegenüber, kann man den Impuls verspüren, diese berühren zu wollen. Darin wohl liegt die Magie, die Mehlers Kunst in sich trägt: Sie berührt ihr Gegenüber leise und subtil auf der Ebene von Bewegungswahrnehmung. Der harte, von einer schützenden Rostpatina überzogene Stahl erfährt eine Metamorphose. Durch die Hände des Bildhauers verwandelt sich seine Härte und wird “gefühlt” weich, eine vitale rhythmische Bewegung entfaltet sich und spiegelt Leben wider. Fast scheint es, als schwebten die großen Formen im Raum, eine Leichtigkeit des Seins zitierend, als seien hier die Dinge nicht in Zerfall und Auflösung begriffen, sondern stünden an der Grenze zur Unendlichkeit.

Herbert Mehler, geboren 1949 in Steinau bei Fulda, erhielt 1964-68 eine Ausbildung bei seinem Vater, dem Holzbildhauer Franz Mehler, und studierte 1972-76 an der Akademie der Bildenden Künste Nürnberg. Er erhielt 2007 den Kunstpreis der Nürnberger Nachrichten sowie den Kulturpreis der Stadt Würzburg und im Jahr 2008 den 1. Preis “Skulpturen im Park” in Stadt Mörfelden-Walldorf.
Seit Ende April 2018 steht Herbert Mehlers “appianamento grande” als Außenskulptur auf dem Vorplatz des Marburger Kunstvereins.
(www.herbert-mehler.com)

Sonja Edle von Hoeßle und Herbert Mehler: Skulpturen.
Bis Do 7.11., Marburger Kunstverein

“holes” von Maja Wilhelmi
Seit 2018 zeigen Studierende des Instituts für Bildende Kunst der Philipps-Universität im Foyer des Marburger Kunstvereins im Wechsel künstlerische Arbeiten. Diese kleinen, aber feinen Präsentationen ergänzen als “Trabanten” die jeweilige Ausstellung in den großen Räumen.

Maja Wilhelmi verbindet Siebdruck und Zeichnung auf eigensinnige Weise. Steht der Siebdruck zunächst für Wiederholbarkeit und die Möglichkeit, massenhafte Großauflagen herstellen zu können, nutzt sie diese Technik zur Herstellung von malerisch wirkenden Unikatdrucken, auf die sie intuitiv mit verschiedenen zeichnerischen Strukturen aus vernähten Fäden oder Collagen reagiert. Die mal akribischen Muster, mal annähernd organischen Zeichnungen, die Wilhelmi per Hand entweder systematisch oder intuitiv über die gedruckten Flächen mit farbigen Fäden näht, werden von dezenten, auf den ersten Blick nicht sichtbaren Abweichungen vom Muster durchzogen. Jenseits einer gegenständlichen Bildrealität thematisiert die junge Künstlerin so grundsätzliche Variablen künstlerischer Entstehungsprozesse.

Maja Wilhelmi studiert Bildende Kunst – Künstlerische Konzeptionen und Philosophoe ander Philipps-Universität Marburg.

pe/MiA

Bild mit freundlicher Genehmigung von Carola Schneider