Unterschriftenlisten gegen Move 35 an Stadtverwaltung übergeben

Sie wollen das Marburger Mobilitätskonzept Move 35 stoppen: Am Mittwochabend haben die Gegner des umstrittenen Verkehrskonzepts die erste Etappe auf dem Weg zum Bürgerentscheid geschafft. Sie haben Listen mit 8315 Unterschriften an die Stadtverwaltung übergeben. Geht alles glatt, könnte noch in diesem Winter ein Bürgerentscheid stattfinden. Dann könnten die Marburger darüber entscheiden, ob es einen Neustart mit neuer Bürgerbeteiligung geben soll. 

Ein Ziel des von SPD, Grünen, Klimaliste und Linken beschlossenen Konzepts ist es, den Autoverkehr „möglichst zu halbieren“. Dies soll dabei helfen, die Universitätsstadt in den nächsten Jahren klimaneutral zu machen. Deshalb nützen die geplanten Maßnahmen vor allem Fußgängern, Radlern und Busfahrern, für die es mehr Fahrradwege, breitere Fußgängerwege und bessere Busangebote geben soll. Zugleich soll das Autofahren mit höheren Parkgebühren, Sperrungen und mehr Tempo-30-Zonen unbequemer werden. 

Angestoßen wurde die Unterschriftensammlung von der konservativen Opposition aus CDU, FDP und „Bürgern für Marburg“, die in dem Mobilitätskonzept „ideologischen Irrsinn“ und einen „Kulturkampf gegen das Auto“ sieht. Lisa Deißler von der Marburger FDP wertet die Anzahl der Unterschriften nun als einen „grandiosen Erfolg.“  Andrea Suntheim-Pichler von den Bürgern für Marburg betont: „Die Menschen, die an den Ständen unterschrieben haben, sind in Sorge um ihre persönliche Mobilität. Gerade für ältere Menschen ist der ÖPNV oder gar der Umstieg auf das Fahrrad keine wirkliche Alternative.“ Und der CDU-Parteivorsitzende Dirk Bamberger kommentiert: „Dieses sehr starke Signal ist ein ganz klarer Auftrag an die CDU/FDP/BfM-Fraktion, in der Haltung zu Move 35 standhaft zu bleiben.“ 

Mit mehr als 8000 Unterschriften hat die Initiative das erforderliche Quorum von rund 2900 Unterstützern sicherlich erreicht, auch wenn normalerweise zehn bis 15 Prozent der Unterschriften ungültig sind. Dennoch muss das städtische  Wahlamt Namen, Adressen und Geburtsdaten sorgfältig mit dem Wahlregister abgleichen. Zeitgleich wird die rechtliche Zulässigkeit des Bürgerbegehrens geprüft. „Aufgrund der intensiven politischen Diskussion ist es uns wichtig, eine objektive und wissenschaftlich fundierte Einschätzung eines Externen einzuholen“, teilt die Pressestelle auf Anfrage mit. Mit dem Rechtsgutachten soll daher Prof. Dr. Dr. Martin Will beauftragt werden, der einen Lehrstuhl für Staatsrecht und Verwaltungsrecht an der EBS Law School in Wiesbaden inne hat. „Das ist eine sehr ernste Angelegenheit, für die es sehr genaue Regeln gibt“, sagt Oberbürgermeister Thomas Spies (SPD): „Wir verhalten uns da völlig neutral.“ 

Mit einem Ergebnis ist nach Einschätzung der Verwaltung frühestens Anfang November zu rechnen. Dann könnte die Stadtverordnetenversammlung in ihrer Sitzung vom 24. November über die Zulässigkeit des Begehrens entscheiden. Dabei soll es um eine reine Rechtsfrage gehen. Erklärt die Stadt das Bürgerbegehren für unzulässig, können die im die Gegner von Move 35 Klage beim Verwaltungsgericht einlegen. 

Unterdessen machen auch die Befürworter einer Verkehrswende in Marburg mobil. Der Marburger Bund für Umwelt und Naturschutz hält den Gegnern des Konzepts vor, Move 35 für Wahlkampfzwecke zu missbrauchen: „Wir betrachten die im Rahmen des Konzepts vorgesehenen Maßnahmen als das absolute Minimum dessen, was passieren muss, damit Marburg im Verkehrssektor dem Ziel der Klimaneutralität bis 2030 näher kommen kann“, schreiben die Umweltschützer. Sorge bereitet ihnen jedoch, dass die Unterschriften für den Bürgerentscheid gegen Move, „mit bewusst falschen Aussagen eingeworben werden und die lokale Presse sich erkennbar schwer tut, objektiv und ausgewogen zu berichten“. Eine Aussage, die der CDU-Fraktionsvorsitzende Jens Seipp für eine „infame Unterstellung“ hält. 

Für Freitag, 15. September, ruft zudem die Fridays-for-Future-Bewegung gemeinsam mit 30 weiteren Initiativen zu zwei Protestzügen für eine Verkehrswende in Marburg auf, die um 15 Uhr am Hauptbahnhof starten. Die erste Route führt zu Fuß quer durch die Stadt zum Friedrichsplatz. Der zweite Demonstrationszug radelt vom Bahnhof über die Stadtautobahn, die zu diesem Zweck kurzzeitig gesperrt wird. Die Demonstrationen enden am Friedrichsplatz, wo es Reden, Picknick und Musik gibt. Eine weitere Demonstration für sicheres Radfahren und mehr Platz für Kinder ist für den 24. September ab 11 Uhr in Marburg geplant. Start ist am Elisabeth-Blochmann-Platz. 

gec

Bild mit freundlicher Genehmigung von Gesa Coordes