Wie sicher ist Marburg? Dazu hat die Polizei kürzlich eine Kriminalstatistik veröffentlicht. Im Fokus: Der Hauptbahnhof. Dort könnte eine Videoüberwachung installiert werden. Kritik zur Sicherheitslage kommt von der CDU.

Überfälle, Schlägereien und Messerattacken in Marburgs City: Nach der aktuellen Kriminalstatistik der Polizei gab es 2022 einen Anstieg der Jugendkriminalität in Marburg. Nach Sonderkontrollen und verdeckten Fußstreifen wurden Haftbefehle gegen mehrere Jugendliche und Erwachsene erlassen, was laut Polizei zu einem Rückgang der Straftaten führte. Auch das städtische Ordnungsamt kontrolliert vermehr in der Innenstadt. Die Stadtpolizei wurde um zwei Stellen aufgestockt und setzt neuerdings auf Diensthunde.

„Es gibt einen Anstieg von Bedrohungen und Sachbeschädigungen und insbesondere einen Anstieg von Straftaten durch Kinder und Jugendliche. Es ist schockierend, was den Opfern angetan wurde – und es ist beunruhigend, dass die Täter*innen so jung sind“, sagt Oberbürgermeister Thomas Spies anlässlich der Veröffentlichung der Polizeilichen Kriminalstatistik 2022 für Mittelhessen. Mehr minderjährige Täterinnen und Täter – das ist laut Kriminalstatistik ein Phänomen, dass sich nicht nur in Marburg-Biedenkopf zeigt. Daher stelle sich die Frage, ob es Auswirkungen von Corona seien, wie sie derzeit häufig diskutiert werden. „In jedem Fall ist es eine zentrale Herausforderung für Sicherheitsbehörden, Politik und Pädagogik, die hier gemeinsam konsequent aber mit Fingerspitzengefühl handeln müssen.“

Der Anstieg der Straftaten in Marburg ist mit 142 Taten im mittelhessischen Vergleich laut Polizei und Stadt moderat. Trotzdem hat die Universitätsstadt jüngst Schlagzeilen gemacht – durch Überfälle und Gewalttaten, begangen von Jugendlichen aus Stadt und Landkreis, verübt in der Marburger Innenstadt.
Das bestätigt auch die neue Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) für 2022, die der Leitende Kriminaldirektor Frank Göbel, Leiter der Polizeidirektion Marburg-Biedenkopf, beim „Runden Tisch Sicherheit“ vorstellte: Für den Landkreis Marburg-Biedenkopf weist die PKS für das Jahr 2022 einen Anstieg um 55 auf 10.315 Straftaten aus. 5094 davon wurden – unabhängig vom Wohnort der Täterinnen oder Täter – in der Kernstadt Marburg begangen; das sind 142 Taten mehr als 2021. Rund 43 Prozent der gesamten Straftaten in Marburgs Innenstadt sind Diebstahlsdelikte.
Bei der genaueren Betrachtung ergibt sich für die Taten in der Kernstadt Marburg bei der Straßenkriminalität (unter anderem sexuelle Belästigung, Handtaschenraub, Raub, gefährliche Körperverletzung) ein Anstieg um 233 auf 1082. Allein bei den Rohheitsdelikten (wie etwa Körperverletzung), erhöhte sich die Anzahl der Taten um 164 auf 869.  Die Gewaltkriminalität – unter anderem versuchter Mord oder Totschlag, Vergewaltigung, Raub, sowie gefährliche und schwere Körperverletzung – stieg um 88 auf jetzt 291 Delikte. Rund 80 Prozent der Körperverletzungsdelikte geschehen im privaten Raum – darunter zählen häusliche Gewalt oder Kneipenschlägereien.

Die Polizei und die Stadt Marburg haben 2022 und 2023 ihre Maßnahmen im Rahmen des seit Juni 2018 existenten und immer wieder angepassten Konzeptes „Sicheres Marburg“ intensiviert. Vor allem verstärkte Streifengänge und die hohe Präsenz von Stadtpolizei und Polizei in Marburg haben laut der Marburger Polizeidirektion zu Ermittlungen gegen 29 Personen geführt, die aufgrund mehrerer Straftaten in Erscheinung getreten sind. Mehrere davon befänden sich bereits in Untersuchungshaft.
Darüber hinaus seien aktuell rund 40 Personen im polizeilichen Fokus, die nur vereinzelt straffällig geworden sind oder sich im Umfeld der Mehrfachtäter aufhielten.

Stadt und Polizei überprüfen in Zusammenarbeit mit dem Landkreis Marburg-Biedenkopf, der Staatsanwaltschaft Marburg, der Bundespolizei und der Deutschen Bahn weitergehende Maßnahmen. Dazu gehörten zum Beispiel die Einrichtung einer Videoschutzanlage oder einer Waffenverbotszone.  Ebenfalls dazu gehörten die gemeinsamen, verstärkten Kontrollen von Polizei und Stadtpolizei. Allein die Stadtpolizei setzt dabei ihre 13 Mitarbeitenden in drei Schichten ein. Die Stadt stockt ihr Personal um zwei zusätzliche Stellen auf – eine weitere Aufstockung werde angesichts der aktuellen Lage derzeit geprüft. Die Ordnungs- und Stadtpolizei wird außerdem durch zwei Diensthunde verstärkt, die insbesondere wegen ihrer psychologischen Wirkung ein wertvolles Einsatzmittel seien.
Zur Verbesserung der Sicherheit und des Sicherheitsempfindens rund um den Bahnhof prüft die Stadt nach eigenen Angaben darüber hinaus die Einrichtung eines Videosystems auf dem Ortenbergsteg. Was die Marburger CDU als viel zu langsam kritisiert. Immerhin habe die CDU/FDP/BfM-Fraktion im Stadtparlament bereits im Februar einen Antrag für ein Videoüberwachungssystem auf dem Ortenbergsteg ins Verfahren gebracht, bisher sei aber nichts passiert. Erst jetzt wache der SPD-Ortsverein Nord auf und fordere das Gleiche, kritisiert der CDU/FDP/BfM-Fraktionsvorsitzende Jens Seipp: „Ich begrüße es ausdrücklich, dass sie in dieser Frage auch endlich aktiv werden möchten. Sie können sich unserem Antrag selbstverständlich gerne anschließen.“ Und CDU-Stadtverordnete Birgit von Bargen, die am Ortenberg zuhause ist, unterstreicht: „Es ist unzumutbar, dass vor allem Frauen und Jugendliche diesen Bereich abends und nachts bereits meiden, weil es dort vermehrt zu Übergriffen und Raubattacken gekommen ist.“

pe/kro

Bild mit freundlicher Genehmigung von Georg Kronenberg