Marburger Archäologie-Studierende finden spätmittelalterliche Sonnenuhr bei Lehrgrabung an der Kugelkirche / Öffentliche Führung am Grabungsgelände am 26. Juli um 15 Uhr
Die aus Holz und Bronze gefertigte Rarität ist kaum größer als eine Streichholzschachtel: Marburger Studierende haben bei einer Lehrgrabung des Vorgeschichtlichen Seminars in der Oberstadt eine spätmittelalterliche Sonnenuhr im Hosentaschenformat gefunden. Laut Ausgrabungsleiter Prof. Felix Teichner ist es der erste Fund einer solchen Uhr in Hessen. „Der Sensationsfund gibt schlaglichtartig einen Einblick in das Zusammentreffen eines hohen Wissensstands in der Astronomie und Mathematik mit spezialisierter Handwerkskunst an der Schwelle vom Mittelalter zur Neuzeit“, erklärt der Professor am Fachbereich Geschichte und Kulturwissenschaften.
Identifiziert wurde die unscheinbare, an ein kleines Holzkästchen erinnernde Uhr durch den Vergleich mit einem ähnlichen Fund aus der Schweiz. Sie stammt nach Einschätzung Teichners aus dem Besitz eines Angehörigen des spätmittelalterlichen Reformordens der Brüder vom Gemeinsamen Leben. Diese unterhielten bis ins Jahr 1527 den Klosterbau in der Oberstadt. Noch bis zum 28. Juli erforschen hier auf dem Gartengrundstück zwischen dem ehemaligen Kugelherrenhaus und der Kugelkirche bei der Lehrgrabung 20 Studierende einen Teil der Geschichte ihrer Universitätsstadt.
Für alle Interessierten findet am Mittwoch, 26. Juli 2023, um 15 Uhr eine öffentliche Führung am Grabungsgelände statt.
Bei der Ausgrabung steht besonders die Untersuchung eines das Grundstück nach Westen begrenzenden Stadtmauerabschnittes im Fokus, der im Zuge der Stadterweiterung der Jahre 1234/1235 mit dem Ziel errichtet worden war, das im selben Jahr erbaute Barfüßerkloster in den Schutz- und Rechtsbezirk Marburgs einzubeziehen. „Der avisierte Abschnitt ist unmittelbar unterhalb des zeitgleich errichteten Kalbstors gelegen und lässt auf Basis bereits im aufgehenden Mauerwerk erkennbarer Unregelmäßigkeiten den Schluss zu, dass hier im Laufe der Jahrhunderte mehrere Befestigungs- und Ausbaumaßnahmen ergriffen wurden. Es besteht weiterhin die Aussicht, Informationen zur Baugeschichte der um 1500 errichteten Kugelkirche und des ebenfalls zum ehemaligen Kloster der Brüder vom gemeinsamen Leben gehörenden Kugelherrenhauses zu gewinnen“, sagt Teichner. „Gleichzeitig hoffen wir auf archäologische Spuren auch der jüngsten Geschichte des Areals, das zeitweise unter anderem als Universitätsinstitut und Landesgefängnis diente.“
Weitere Infos über die Ausgrabung
kro/pe