Das Pflegeteam der Intensivstation 2.5 in Gießen macht auf prekäre Lage aufmerksam.

“Wir sind müde, ausgepowert, man hat uns viel versprochen und wir hatten tatsächlich das Gefühl, dass sich endlich, endlich etwas ändert an der Situation der Pflegenden.” Im Frühjahr 2020 regnete es Beifall von den Balkonen der Republik für all jene, die in der Pflege arbeiten. Was ist übrig geblieben vom Applaus und dem Versprechen der Politik, die Pflegekräfte zu entlasten? Die Frage stellt das Pflegeteam der Intensivstation 2.5 am Uniklinikum Gießen in einem offenen Brief mit dem Titel “Weckruf.” Unterschrieben ist er von 35 Pflegekräften der Station. Der Landesbezirk Hessen der Gewerkschaft ver.di hat das Schreiben am 18. November veröffentlicht.

In dem Brief berichten die Pflegekräfte von ihren Sorgen vor der vierten Welle. Davor, dass sich die Intensivstation wieder füllen und noch mehr Kolleginnen und Kollegen das Team verlassen, weil sie den wachsenden Belastungen nicht mehr gewachsen sind. In dem Fall müsse die Geschäftsführung Betten schließen – die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf Station 2.5 befürchten deshalb, dass sie Patienten gar nicht mehr behandeln können.
“Ein bis dahin nicht gekannter Teamgeist, eine beispiellose Führung, Planung und Logistik sowie gute Versorgung und mit Schutzkleidung und Material” hätten es bisher ermöglicht, dass das Klinikum alle Erkrankten gut versorgen habe können. “Aber auch wir haben viele, zu viele Menschen sterben sehen,” heißt es in dem Brief. Das Team von Station 2.5 selbst habe “großes Glück” gehabt, dass niemand an Covid-19 gestorben sei, obwohl sie “täglich engsten Kontakt zu schwerst Erkrankten” hätten.

Harsche Kritik üben die 35 Verfasser an der Privatisierung des Gesundheitssystems. Ökonomische Faktoren dominierten über allen anderen und Patienten seien “regelrecht zu einem Störfaktor” geworden, der verhindere, dass der “Konzern Klinikum” reibungslos ablaufe. “Echte” Streiks seien unmöglich. Schließlich müssten Patienten auch versorgt werden, wenn die Pflegekräfte ihre Arbeit niederlegen.

LB

Bild mit freundlicher Genehmigung von Georg Kronenberg