Wie sicher fühlen sich die Menschen in Marburg? Eine repräsentativen Befragung zeigt: Insgesamt ist das Sicherheitsempfinden in der Stadt hoch. Dennoch gibt es Angst-Orte, die entschärft werden müssen.

Die gute Nachricht zuerst: Die Marburger Bürger*innen fühlen sich grundsätzlich sehr sicher, wenn sie sich durch ihre Stadt bewegen. Das belegt das “Kommunalprogramm Sicherheitssiegel” (Kompass) – eine repräsentative Befragung, an der 2020 über 1000 Menschen aus der Universitätsstadt teilgenommen haben. Deren Ergebnisse hat das Polizeipräsidium Mittelhessen kürzlich bei einer Sicherheitskonferenz der Stadt Marburg vorgestellt. Demzufolge fühlen sich die Marburger*innen tagsüber sehr sicher und nachts eher sicher. Am höchsten ist das Sicherheitsempfinden in Michelbach, im Südviertel und in der Marbach.

Nun die weniger gute Nachricht: In der Stadt gibt es auch eine Reihe von Orten, an denen sich Menschen unsicher fühlen. Frauen erklärten bei bei der Kompass-Befragung, dass sie den Ludwig-Schüler-Park und die Fußwege an der Lahn bei Dunkelheit meiden. Junge Männer hingegen nannten belebte Orte wie den Hauptbahnhof, die Lahnwiesen, die Lahnterrassen und den Elisabeth-Blochmann-Platz am Erlenring. Dort sei es wahrscheinlich, dass sie mit anderen jungen Männern in Konflikt geraten könnten. Als Stadtteil mit dem geringsten Sicherheitsempfinden wird in der Kompass-Befragung der Richtsberg genannt. Die Stadt spricht in diesem Zusammenhang von “Angst-Orten”, mit denen sie sich nun verstärkt beschäftigen möchte.

„Das Gefühl von fehlender Sicherheit kann zu Einschränkungen in der Freizeitgestaltung, der Handlungsmöglichkeiten und der gesamten Lebensqualität führen”, erklärt Oberbürgermeister Thomas Spies. Sicherheit und Sicherheitsempfinden seien deswegen zwei Themen, denen man sich immer widmen müsse. Dennoch seien die Angst vor Gefahren und reale Gefahren nicht immer identisch.

Als erste Maßnahme habe bereits eine Begehung stattgefunden – unter anderem am Ortenbergsteg, dem Schülerpark mit Unterführung zum Blitzweg sowie dem Fußweg entlang der Philosophischen Fakultät. An der Begehung teilgenommen hat auch Sonja Böhm, Beraterin für städtebauliche Prävention im Polizeipräsidium Mittelhessen. Aus ihrer Sicht ergebe sich ein positiver Gesamteindruck der begangenen Orte. So sei der Bahnhofsvorplatz übersichtlich, sauber und Straßenlaternen in ausreichender Anzahl vorhanden. Wesentliche Maßnahmen zur Kriminalprävention setze die Stadt bereits um, urteilt Böhm.
Aus Sicht der städtebaulichen Kriminalprävention müssten an Angst-Orten uneingeschränkte Sicht, Licht und Sauberkeit herrschen. Dazu gehörten beispielsweise auch das Zurückschneiden von Sträuchern oder zusätzliche Beleuchtung.
Als präventive Maßnahmen eignen sich aus Sicht der Stadt zudem Alarmknöpfe und mobile Notfall-Apps. Im Jägertunnel wurden in der Vergangenheit bereits ein Alarmknöpfe angebracht. Diese trügen dazu bei, dass der Durchgang zwischen Neuer und Alter Kasseler Straße weniger als Angst-Ort empfunden werde, so Spies.

In den vergangen Jahren habe die Stadt zudem weitere Vorkehrungen getroffen, die sich postitiv aus das Sicherheitsempfinden auswirken – etwa Sonderkontrollen und verdeckte Fußstreifen, die zu mehreren Haftbefehlen gegen Jugendliche und Erwachsene geführt habe. Das bewirkt laut Polizei einen Rückgang der Straftaten. Auch das städtische Ordnungsamt kontrolliere vermehrt in der Innenstadt und die Stadtpolizei wurde um vier zusätzliche Stellen aufgestockt. Polizei, Ordnungsamt und Jugendamt kooperierten im Programm “suPPOrdJu”. Am Richtsberg kümmerten sich zudem die Beteiligten des Projekts “Einsicht – Marburg gegen Gewalt” um den Stadtteil; unter anderem mit einer zusätzlichen, spezifischen Befragung.

Daten und Hintergrundinformationen

Das Kommunalprogramm Sicherheitssiegel – kurz Kompass – ist ein Programm des Hessischen Innenministeriums. Die Behörde kooperiert dabei mit den Kommunen, der Polizei und den Bürger*innen. Das Programm soll sowohl das subjektive Sicherheitsgefühl steigern als auch die Kriminalitätsrate senken.
Dafür wurden in den einzelnen Gemeinden zufällig ausgewählte Bürger*innen ab 14 Jahren zu verschiedenen Themen befragt – unter anderem zu Angsträumen, aber auch nach Überfällen, Einbrüchen oder sexueller Belästigung. Hessenweit haben sich mittlerweile mehr als 100 Städte und Gemeinden beteiligt.
In Marburg fand die Befragung im Sommer 2020 statt; dabei konnten 1150 Fragebögen ausgewertet werden.

Wie die Stadtverwaltung erklärt, deckt sich das Ergebnis der Befragung mit anderen Kriminalstatistiken für die Region. So stelle etwa die polizeiliche Kriminalstatistik für 2022 fest, dass in Marburg-Biedenkopf vergleichsweise wenige Straftaten verübt werden. So wurden im Landkreis im vergangenen Jahr 4191 Straftaten pro 100.000 Einwohner*innen erfasst. In ganz Hessen liegt diese Zahl durchschnittlich bei 5855 und in ganz Deutschland bei 6762.
Jedoch verzeichnete die polizeiliche Kriminalstatistik 2022 auch einen Anstieg der Jugendkriminalität in Marburg – insebsondere in der Innenstadt sowie auf belebten Plätzen und Straßen. Auffallend seien vor allem die vergleichsweise große Zahl männlicher Intensiv-Täter unter 18 Jahren – ein Trend, der von Sicherheitsbehörden und Expert*innen der Jugendarbeit zurzeit in ganz Deutschland und seinen Nachbarländern beobachtet werde.

LB/pe

Bild mit freundlicher Genehmigung von Georg Kronenberg